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Lernen durch Engagement: Wenn Studierende ein «Suppen-Risiko» eingehen

Von Kochen mit Flüchtlingen bis zu Begegnungen mit Augenzeugen des Drogenelends auf dem Platzspitz: Die Studierenden der Hochschule Luzern für soziale Arbeit realisieren derzeit hundert gemeinnützige Projekte. Sie hoffen auf Nachahmer.
Erich Aschwanden
Was früher üblich war, soll wieder eingeführt werden: Blutspendeaktionen an den Hochschulen. (Bild: Christian Mathis / NZZ)

Was früher üblich war, soll wieder eingeführt werden: Blutspendeaktionen an den Hochschulen. (Bild: Christian Mathis / NZZ)

Immer wieder ist der Vorwurf zu hören, dass Studierende in der Schweiz zwar eine hervorragende theoretische Ausbildung geniessen würden, dass ihnen aber der Bezug zu Praxis und Gesellschaft fehle. Während sich Schüler in der Volksschule und an Gymnasien ganz selbstverständlich für gemeinnützige Projekte einsetzen, finden solche Aktionen an den Hochschulen kaum statt. Das «Lernen durch Engagement» gibt es auf dieser Stufe kaum.

Jetzt unternimmt die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit einen Anlauf, das sogenannte Service-Learning breiter bekanntzumachen. Und dies im grossen Stil. Zwischen dem 18. Februar und dem 4. März werden rund 250 Studierende in der ganzen Deutschschweiz hundert soziale und kulturelle Aktionen durchführen. Den Anstoss für das aufwendige Vorhaben hat das 100-Jahre-Jubiläum der Hochschule gegeben, an der 690 Studierende in Ausbildung sind und 1200 eine Weiterbildung absolvieren.

Initiiert und geleitet wird das Projekt vom ehemaligen Hochschuldirektor Walter Schmid. «Wir wollen die Schulräume verlassen und vor Ort Hand anlegen. Damit soll die Bedeutung des gemeinnützigen Engagements breit erfahrbar gemacht werden», betont Schmid. Nach einer intensiven Vorbereitungszeit werden in den nächsten Wochen 99 der geplanten 100 Praxisprojekte auch tatsächlich umgesetzt.

Fünf Kilo Zwiebeln für eine Suppe

In den letzten Monaten suchten die Studierenden nach privaten und öffentlichen Projektpartnern, mit denen sie konkrete gemeinnützige Projekte umsetzen können. Es galt, Vereinbarungen abzuschliessen und die notwendigen Bewilligungen etwa für Standaktionen einzuholen. In mehreren Fällen hätten diese Gebühren das gesamte bescheidene Budget aufgebraucht. Von den Organisatoren war also Kreativität in Sachen Sponsorensuche gefragt.

Es sind vor allem Erstsemestrige, die in frisch zusammengewürfelten Teams zusammenarbeiten und ins kalte Wasser geworfen wurden. Zahlreiche Projekte befassen sich mit Migrationsfragen. Auch nach diversen Sitzungen mit allen Involvierten wissen die Studierenden erst am Tag der Veranstaltung, ob auch alles tatsächlich klappt. Dies kam vergangene Woche bei der Präsentation der Vorhaben vor den Kommilitonen zum Ausdruck.

So etwa beim Projekt «Suppen aus aller Welt». Bei dieser Aktion in der Luzerner Altstadt sollen Vorurteile gegenüber fremden Nationen abgebaut werden, indem Suppen an Passanten ausgegeben werden. Für eine Suppe, die von einer Migrantin zubereitet wird, müssen fünf Kilo Zwiebeln eingekauft werden. «Wie das schmeckt, wissen wir nicht. Wir gehen also ein gewisses Suppen-Risiko ein», meinte eine der Organisatorinnen unter dem Gelächter ihrer Studienkolleginnen.

Gesucht: ein Polizist, der den Platzspitz geräumt hat

Eine Herausforderung stellt für viele Organisatoren auch dar, dass sie nicht wissen, mit wie vielen Teilnehmern sie bei ihren Veranstaltungen rechnen dürfen beziehungsweise müssen. Wie viele Zürcher Jugendliche interessieren sich für die ehemalige offene Drogenszene auf dem Platzspitz? So lautet beispielsweise eine Frage.

Mit dem Projekt «Begegnung am Platzspitz» will eine Gruppe der Hochschule nämlich jungen Leuten das Drogenelend näherbringen, das in den 1980er und 1990er Jahren weltweit für unschöne Bilder aus der Stadt Zürich sorgte. Ein Ex-Junkie, freiwillige Helfer sowie Mitglieder der damaligen Stadtbehörden konnten bereits für die Veranstaltung gewonnen werden. Gesucht wird noch ein Polizist, der sich vor 25 Jahren mit den unsäglichen Zuständen auf diesem Areal herumschlagen musste.

Unterstützt wird die Hochschule für soziale Arbeit bei ihrem vielfältigen Jubiläumsprojekt unter anderem durch das Migros-Kulturprozent. Dieses hat ein eigenes Zentrum für Service-Learning aufgebaut und stellt die Plattform zur Verfügung, auf der sämtliche Vorhaben aufgeführt sind. «Leider gibt es in der Schweiz bis anhin nur wenige solcher Projekte auf Hochschulstufe. Wir hoffen, dass andere Institutionen dem Beispiel der Hochschule Luzern folgen werden», erklärt Fanni Dahinden vom Schweizer Zentrum für Service-Learning.

Eine Vorbildwirkung für andere Institutionen erhofft sich auch Stefan Brunner, Projektleiter bei der Stiftung Mercator Schweiz. Diese unterstützt unter anderem Projekte im Bildungsbereich. In unserem nördlichen Nachbarland ist die Idee viel stärker verbreitet. So umfasst ein Netzwerk, welches das zivilgesellschaftliche Engagement von Studierenden, Lehrenden und anderen Hochschulangehörigen stärken möchte, inzwischen 37 Hochschulen. Entwickelt wurde die Lern- und Lehrmethode ursprünglich in Nordamerika.

Das eigene Blut spenden

Bei der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit ist man sich der schweizerischen Vorreiterrolle durchaus bewusst. «Der jetzt gewonnene Erfahrungsschatz soll der nachhaltigen Verankerung des Engagements an der Schnittstelle von Bildungseinrichtungen und Akteuren der Zivilgesellschaft dienen», betont Walter Schmid. Die hundert Praxisprojekte werden deshalb später ausgewertet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Bei einem der Projekte ist schon klar, dass es für alle Studierenden spürbar sein könnte. So will ein Team zusammen mit dem Schweizerischen Roten Kreuz an der Hochschule für soziale Arbeit eine Blutspendeaktion durchführen. Gut möglich, dass die Aktion künftig zum festen Anlass im Jahresablauf wird, so dass auch für die gewünschte Nachhaltigkeit gesorgt wäre.

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